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Dienstgeräte für Lehrer*innen: Klassenziel verfehlt

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Die Anschaffung von Dienstgeräten für Lehrer*innen mit Mitteln aus dem Digitalpakt sollte die Digitalisierung an Schulen eigentlich beschleunigen. In vielen Schulen sind die Notebooks oder Tablets aber immer noch nicht angekommen. Und wo die Geräte ausgegeben werden, macht sich nicht selten Ernüchterung breit – die Geräte passen oft gar nicht zu den Anforderungen der Lehrkräfte. Über einen 500 Millionen Euro teuren Schnellschusses.

Lehrer*innen sind es seit jeher gewöhnt, dass sie für einen Großteil ihres Arbeitsmaterials selber aufkommen müssen: Bücher, Büro-Materialien oder Ausstattung für den Klassenraum schaffen viele Pädagog*innen vom eigenen Geld an. Das galt lange Zeit auch für IT-Ausstattung. Lehrer*innen werden seit vielen Jahren dazu aufgefordert, die Digitalisierung und Medienbildung an den Schulen voran zu bringen: Lange Zeit mussten sie ihre eigene Ausstattung wie Notebooks, Tablets und das diverse Zubehör aber auf eigene Rechnung anschaffen.

Dieser Missstand wurde in der Gesellschaft erst so richtig klar in der Corona-Pandemie. Hier wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ausstattung der Lehrkräfte war. Wie sollte man von den Pädagog*innen die Gestaltung von Distanz-Lernen einfordern, wenn diesen noch nicht mal die nötige Hardware gestellt wird? Erst jetzt wurde die Forderung laut, Lehrer*innen mit Dienstgeräten auszustatten.

Der Bund stellte den Ländern daraufhin im Rahmen einer Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt 500 Millionen Euro zur Verfügung, um Dienstgeräte für Lehrer*innen anzuschaffen. Diese Mittel konnten von den Kommunen als Schulträgern für die Beschaffung von Dienstgeräten abgerufen werden. Das haben offenbar noch immer nicht alle Städte und Gemeinden getan. Viele Lehrkräfte berichten etwa bei Twitter, dass sie noch gar keine Geräte erhalten haben.

Aber selbst bei den Lehrer*innen, die bereits mit Dienstgeräten ausgestattet wurden, gibt es viele Probleme, die in diesem Artikel genauer analysiert werden sollen.

Die Anforderungen wurden nicht erfasst

Wer einen Computer kauft, sollte sich vorab Gedanken darüber machen, wozu er das Gerät benutzen will. Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob man mit einem Notebook nur E-Mails verschicken oder 4K-Videos schneiden will. Vor der Anschaffung gilt es also, die Anforderungen genau zu erfassen. Genau das gleiche wäre natürlich auch bei Dienstgeräten sinnvoll gewesen: Je nach Schulform, Fach oder IT-Ausstattung der Schule ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an ein Dienstgerät für Lehrer*innen.

Meines Wissens wurde aber zu keinem Zeitpunkt überhaupt systematisch die Anforderungen erhoben, die Lehrkräfte an ein solches Gerät stellen. Das wäre aber sehr wichtig gewesen, um Schulträgern zum Beispiel Empfehlungen an die Hand zu geben. Weder vom Bund, der das Geld stellt, noch von den Ländern, die die Förderrichtlinien ausarbeiteten, gab es Empfehlungen für die Anschaffung.

Das Budget für Dienstgeräte war (zu) knapp

Ohne irgendwelche Vorgaben mussten also alle Schulträger eigene Entscheidungen treffen. Einige – aber leider bei weitem nicht alle – gingen vor den Anschaffungen in den Dialog mit den Schulen. Das geringe Budget schränkte aber so oder so die Auswahl sehr stark ein: Die Fördersumme war auf 500 Euro pro Gerät pro Lehrkraft gedeckelt.

Die Bundesländer konnten diese Summe aufstocken. Bayern etwa legte noch 250 Euro für die Geräte und eine Verwaltungskostenpauschale von 250 Euro drauf. Andere Bundsländer taten das aber nicht. Theoretisch konnten auch die Schulträger auch noch selber Geld zuschießen – das taten aber meinem Eindruck nach nur sehr wenige. Letztlich ist es also Glückssache, wie viel Geld für das Dienstgerät eines Lehrers ausgegeben wurde.

Vor allem auch deshalb entschieden sich viele Kommunen dafür, Tablets anzuschaffen. Insbesondere iPads waren sehr beliebt, weil diese sich mit dem Budget finanzieren ließen. Dazu kommt, dass sich iPads mit Hilfe eines Mobile-Device-Management wie Jamf oder Relution sehr einfach auch in großer Zahl einrichten und administrieren lassen.

Tablets genügen den Anforderungen und dem Arbeitsschutz nicht

Wer sich mit dem Arbeitsalltag von Lehrkräften auch nur ansatzweise beschäftigt, weiß aber natürlich, dass iPads alleine für die vielfältigen Arbeiten von Lehrkräften nicht ausreichen. Inzwischen spielen digitale Tools in jedem Bereich der Tätigkeit eine Rolle: bei der Vorbereitung und der Durchführung von Unterricht. Bei der Leistungsbewertung. Bei der Verwaltung. Bei der Kooperation und Kommunikation. Klar ist: ein iPad kann nur einen Teil dieser Aufgaben erfüllen.

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Das bedeutet nicht, dass Tablets im Schulalltag unbrauchbar sind: Sie bieten durch die Stiftbedienung, die eingebaute Kamera und die Möglichkeit zur Steuerung von Schüler-iPads viele Optionen für die pädagogische Arbeit. Aber sie eignen sich eher als Zweitgerät für den Klassenraum. Viele Lehrkräfte brauchen weiterhin einen zusätzlichen Computer und reichlich Zubehör.

Zur Illustration kann dieses Foto dienen. Links im Bild: mein Dienstgerät. Rechts im Bild: Was ich zusätzlich privat gekauft habe, um gut arbeiten zu können.

Abgesehen davon, dass die Geräte nur einen Teil der Anforderungen erfüllen, steht auch in Frage, inwiefern Tablets alleine die Voraussetzungen des Arbeitsschutzes erfüllen. Lehrkräfte verbringen inzwischen einen großen Teil der Arbeitszeit vor dem Bildschirm. Die Arbeitsstättenverordnung fordert hier zum Beispiel, dass Größe, Form und Gewicht tragbarer Bildschirmgeräte der Arbeitsaufgabe entsprechend angemessen sein müssen. Inwiefern das auf die oft nur zehn Zoll großen Tablet-Bildschirme zutrifft ist mehr als fragwürdig.

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Anschlussfinanzierung für neue Dienstgeräte unklar

Ein großes Problem ist, dass es sich bei dem Förderprogramm um eine Einmal-Zahlung handelt. Ob in Zukunft wieder Geld für Dienstgeräte für Lehrer*innen zur Verfügung stehen wird, ist vollkommen unklar. Derzeit ist noch nicht einmal geregelt, wer künftig überhaupt für die Geräte aufkommt. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist ein Digitalpakt 2.0 festgeschrieben. Ob darüber auch Geräte für Lehrer*innen finanziert werden sollen, bleibt abzuwarten.

Solange es hier keine Einigung gibt, werden daher die wenigsten Kommunen weiteres Geld für Dienstgeräte für Lehrkräfte ausgeben. Derzeit kann es also passieren, dass neue Lehrer*innen kein Gerät erhalten oder defekte Geräte nicht ersetzt werden können.

Support für Dienstgeräte wird nicht finanziert

Genauso unklar wie die Finanzierung von weiteren Geräten ist auch, wer langfristig für den Support aufkommt. In den NRW-Förderrichtlinien für die Dienstgeräte heißt es ausdrücklich: „Sachausgaben für die Wartung, den Support und den Betrieb der zu beschaffenden mobilen Endgeräte sowie Personalausgaben sind nicht förderfähig.“

Klar war aber von Anfang an, dass durch die vielen neuen Geräte in den Schulen auch der Support-Bedarf deutlich anwachsen würden. In einer weiteren Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt stellt der Bund den Ländern daher 500 Millionen Euro für die Schaffung von Stellen für den IT-Support.

Die Fördermittel genügen aber nur für einen Bruchteil der Kosten, die in den nächsten Jahren anfallen werden. Viele finanziell klamme Städte und Gemeinden werden sich auch mit Hilfe der Fördermitteln weiter schwer tun, IT-Spezialisten zu finden. Umso wichtiger wäre es hier, eine verlässliche und langfristige finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern zu schaffen, mit der die Schulträger planen können.

Kein Geld für Software auf Dienstgeräten

Eine weitere Lücke im Dienstgeräte-Plan von Bund und Ländern: Bislang floss Geld nur für Hardware und Support, nicht aber für Software. Schulen erhalten zwar vergleichsweise viel Geld von Land für Lernmittel wie Schulbücher. Apps und Lernprogramme dürfen sie damit aber nicht kaufen. Hier müssen deswegen wieder die Schulträger einspringen. Ob Lehrkräfte zusätzlich zu ihrer Hardware auch Software erhalten, hängt derzeit also wiederum von den Städten und Gemeinden ab und ihrer Bereitschaft, Geld für die Ausstattung der Lehrkräfte mit Apps auszugeben.

Lehrer*innen sind es aber ja ohnehin gewohnt, selber Geld für ihre Arbeitsmittel auszugeben. Teilweise hat sich die Situation bei der Software-Ausstattung durch die Dienstgeräte aber sogar noch verschlechtert. Das liegt daran, dass die Dienstgeräte in aller Regel von den Schulträgern zentral administriert werden. In den Förderrichtlinien in NRW für die Dienstgeräte für Lehrer*innen wurde dies explizit gefordert: „Der Zuwendungsempfänger verpflichtet sich zu einer zentralen Geräteverwaltung.“

Wird eine solche Geräteverwaltung restriktiv betrieben, haben Lehrkräfte keinerlei Möglichkeiten, selber Software zu installieren. Bei den weit verbreiteten iPads können die Lehrkräfte dann etwa nicht das Gerät mit einer eigenen Apple-ID verknüpfen, die Ihnen erlauben würde, selbst Apps im Appstore zu kaufen. Nimmt nun der Schulträger selber kein Geld in die Hand, um die App-Wünsche der Lehrkräfte zu erfüllen, sind die Lehrkräfte in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt.

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Keine Klärung beim Datenschutz

Ein Grund für die Vorsicht vieler Schulträger beim Geräte-Management ist nicht zuletzt der Datenschutz. Lehrkräfte verarbeiten auf ihren Geräten sensible personenbezogene Daten von Schüler*innen. Insofern ist es natürlich wichtig, dass der Datenschutz ernst genommen wird. Allerdings neigen manche Verantwortliche dazu, im Zweifelsfall Hindernisse aufzubauen.

Leider ist die Landesregierung in NRW bei der Klärung, welche Software und Dienste Lehrkräfte nutzen dürfen, nicht hilfreich. So warten Schulen etwa seit Jahren auf eine eindeutige Stellungnahme dazu, ob Schulen Microsoft 365 nutzen können. Und eben auch für die Nutzung der Apple-ID auf Dienstgeräten gibt es keine Hinweise und Empfehlungen.

Pflicht zum Dienstgerät in NRW torpediert Digitalisierung

Die beschriebene Unklarheit trägt dazu bei, dass manche Schulträger den Umfang der freigeschalteten Apps und Dienste stark einschränken. Auch deshalb nutzten viele Lehrkräfte weiterhin zusätzlich zum Dienstgerät eigene Computer, die ihnen mehr Gestaltungsmöglichlkeiten bieten. In NRW konnten sich Lehrer*innen die Nutzung von privaten Geräten auch für die Verarbeitung personenbezogener Daten genehmigen lassen – also etwa zum Schreiben von E-Mails oder zur Führung von Notenlisten.

Die Genehmigung zur Nutzung der privaten Geräte erlischt allerdings in NRW neuerdings automatisch, sobald ein Dienstgerät zur Verfügung gestellt wird. Schuld ist dafür eine neue Fassung der „Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer“ – kurz VO-DVII. Diese wurde kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Eine rechtzeitige Information an die Schulen gab es nicht. Ohne es zu wissen, verstoßen also nun viele Lehrkräfte in NRW gegen eine geltende Verordnung, wenn sie ihre privaten Geräte für bestimmte dienstliche Zwecke nutzen.

Der Hintergrund für die Neufassung ist wiederum der Datenschutz: Durch zentral gewartete Geräte lässt sich leichter sicherstellen, dass alle Lehrkräfte alle Datenschutzvorgaben einhalten. Im Prinzip ist das auch gut für die Lehrkräfte, da sie nun nicht mehr selber für den Datenschutz verantwortlich sind.

Das Problem: Insbesondere mit den von vielen Kommunen angeschafften iPads lassen sich manche dientliche Aufgaben gar nicht erfüllen. So gibt es bestimmte Verwaltungs-Programme – etwa zur Erstellung von Zeugnissen oder Eingabe von Noten – die nur auf Windows-Rechnern laufen.

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Die Lehrer*innen-Verbände hatten die Landesregierung vorab auf diese Probleme hingewiesen. Der Philologen-Verband hatte bei der Rückmeldung zu einem ersten Entwurf ausdrücklich Übergangregelungen für die Nutzen privater Endgeräte gefordert. Diese Verbesserungsvorschläge hat das zuständige Ministerium aber offenbar nicht aufgegriffen. Zu der nun verabschiedeten Version wurden die Verbände laut GEW-NRW nicht mehr angehört.

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Dass die Nutzung privater Geräte eingeschränkt wird, ist meines Wissens nur in NRW der Fall. Es ist aber davon auszugehen, dass andere Bundesländer nachziehen werden. Es wäre aber zu hoffen, dass sie aus der Kritik in NRW lernen.

Mehr Bürokratie durch unklare Verordnung

Ein Problem für Lehrkräfte und Schulleitungen in NRW ist auch, dass die Verordnung teilweise wolkig formuliert ist. Ein Beispiel dafür ist der Passus zu möglichen Sondergenehmigungen für die Nutzung von Privatgeräten durch die Schulleitung:

Unabhängig davon kann die Schulleitung ausnahmsweise in begründeten, von ihr zu dokumentierenden Einzelfällen die Nutzung von Privatgeräten vorübergehend zulassen, soweit dies zur vollumfänglichen schulischen Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich und die datenschutzgerechte Verarbeitung entsprechend der für die Nutzung von Privatgeräten geltenden Standards gewährleistet ist.“

Für die Schulleitungen gibt es keinerlei Hilfestellungen oder Hinweise dazu, wie diese Verordnung auszulegen ist. Wie viele Fragen offen bleiben, kann man bei der sehr detaillierten Analyse bei Datenschutz-Schule.info nachlesen. So ist zum Beispiel unklar, wann ein Einzelfall vorliegt, der eine Sondergenehmigung rechtfertigt. Sicher ist aber eins: Für die Schulleitungen bedeutet die neue Regelungen einen erheblichen Mehraufwand und Papierkram.

Fazit: Lehrer*innen-Dienstgeräte waren vor allem Aktionismus

Insgesamt muss man das Fazit ziehen: Die über die Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt bereit gestellten Mittel waren ein wenig durchdachter Schnellschuss unter dem Druck der Öffentlichkeit aufgrund der Probleme während der Corona-Pandemie. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Lehrer*innen endlich die für ihre Arbeit nötiges Ausstattung zur Verfügung gestellt wird. Aus meiner Sicht wäre es aber umso wichtiger, künftig bei der Anschaffung von Dienstgeräten nicht noch einmal die gleichen Fehler zu machen.

Folgende Punkte erscheinen mir besonders wichtig:

  • Vor der Anschaffung von Dienstgeräten muss erst einmal genau analysiert werden, welche Anforderungen Lehrkräfte haben – auch unter Berücksichtigung der Schulformen.
  • Es braucht auf dieser Basis klare Empfehlungen für die Schulträger und die Lehrkräfte, welche Geräte und auch welche Software und Dienste besonders geeignet und datenschutzrechtlich unbedenklich sind.
  • Das Budget pro Dienstgerät muss größer sein, damit Lehrer*innen Geräte erhalten können, mit denen sie unter Wahrung des Arbeitsschutzes alle ihre Aufgaben erfüllen können.
  • Es muss allen Schulen auch ein nennenswertes Budget für Software zur Verfügung gestellt werden.
  • Es muss insbesondere für die Schulträger Klarheit über die weitere Finanzierung geschaffen werden – nicht zuletzt auch beim IT-Support.
  • Eine Einschränkung der Nutzung von Privatgeräten sollte erst erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Lehrer*innen mit Ihren Geräten alle ihre Aufgaben effizient erledigen können.

Bild: Wokandapix; Lizenz: Pixabay

Der Beitrag Dienstgeräte für Lehrer*innen: Klassenziel verfehlt erschien zuerst auf Bildungslücken.


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